Arbeiten im Alter – ein Aspekt der Nachhaltigkeit
- OGNI Admin
- 25. Oktober 2024
Die demografische Entwicklung und ihre Auswirkung auf den Arbeitsmarkt
Die Demografie in Österreich hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Lebenserwartung ist deutlich gestiegen, während das Pensionsalter relativ stabil geblieben ist. Nach Angaben der Presse betrug das durchschnittliche Pensionsalter der Frauen und Männer im Jahr 2022 60,4 bzw. 61,9 Jahre. Im Jahr 1970 lag die Lebenserwartung der Frauen bei 73,4 Jahren und der Männer bei 66,6 Jahren. Aktuell beträgt die Lebenserwartung 83,8 Jahre für Frauen und 79 Jahre für Männer (Presse, 2024).
Seit dem 1. Januar 2024 hat sich das Pensionsalter der Frauen verändert. Bis 2024 konnten Frauen normalerweise ab 60 Jahren in den Ruhestand gehen. Nun hängt das Pensionsalter vom Geburtsjahr ab und erhöht sich jährlich um sechs Monate, bis im Jahr 2033 das Pensionsalter für Frauen ebenfalls 65 Jahre erreicht. Dies betrifft alle Frauen, die nach dem 31. Dezember 1963 geboren sind. Frauen, die ab dem 1. Juli 1968 geboren sind, können erst mit 65 Jahren in Pension gehen (Bundesministerium, 2024).
Wichtig ist auch, dass neben dem Erreichen eines bestimmten Alters eine Mindestversicherungszeit erfüllt sein muss. Gemäß den Angaben des Bundesministeriums entspricht dies 180 Versicherungsmonaten, was 15 Versicherungsjahren entspricht. Davon müssen 84 Monate (sieben Jahre) erwerbstätig gewesen sein. Anerkannte Zeiten der Erwerbstätigkeit umfassen:
- Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
- Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen ab Pflegestufe 3
- Zeiten der Familien-Hospizkarenz
- Zeiten der Kindererziehung, die für die Pension berücksichtigt werden (Bundesministerium, 2024)
Österreich steht vor großen Herausforderungen, da die Geburtenrate seit Jahren niedrig bleibt und die Lebenserwartungen steigen. Die Daten von Statistik Austria zeigen auf, dass die Geburten im Jahr 2023 um 6,1 % im Vergleich zu 2022 zurückgegangen sind. Mit 1,32 Kindern pro Frau erreicht das Fertilitätsniveau einen neuen Tiefstand. Im selben Jahr verstarben insgesamt 89.760 Personen, was einem Rückgang von 3,8 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit liegt die Zahl der Verstorbenen erstmals seit 2020 wieder unter 90.000, ist aber nach wie vor deutlich höher als in den Jahren 2015 bis 2019 (Statistik Austria, 2024).
Die Anzahl der Pensionsneuzugänge ist laut Pensionsjahresstatistik des Dachverbandes (PJ) zwischen 2018 und 2023 von rund 91.000 auf über 118.000 gestiegen, die höchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1970. Besonders bemerkenswert ist, dass im Jahr 2023 noch nie so viele Frauen erstmals eine Direktpension bezogen haben wie in diesem Zeitraum (Bundesministerium, 2024).
Tabelle 1 Pensionsneuzug nach Geschlecht
Der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken im Gegensatz zum Anteil der Personen in Rente, der überproportional steigen wird. Es fehlt zunehmend an Arbeitskräften in verschiedenen Branchen, insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich. Diese Sektoren kämpfen darum, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Hinzu kommt, dass viele potenzielle Arbeitskräfte, die sich in Ausbildung befinden, ins Ausland gehen, um dort zu studieren oder zu arbeiten. Gleichzeitig kommen viele internationale Studierende nach Österreich, kehren jedoch nach ihrem Abschluss in ihre Heimatländer zurück. Dies verstärkt den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Österreich weiter. Die Wirtschaft und das Sozialsystem stehen daher vor erheblichen Herausforderungen.
Arbeiten im Alter, ein Aspekt der Nachhaltigkeit
Eine mögliche Lösung für die demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in Österreich könnte das freiwillige längere Arbeiten sein. Viele Menschen möchten ihren Beruf auch nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters weiterhin ausüben. Dies kann sowohl den Einzelnen als auch der Wirtschaft zugutekommen.
Hat das etwas mit Nachhaltigkeit zu tun? Ja, selbstverständlich! Die Ressource Mensch wird immer knapper – speziell in unseren mitteleuropäischen Ländern. Wir können unsere Systeme schon jetzt nur mehr mit einem hohen Anteil an Migration aufrechterhalten. Wir leben gesünder, haben ein wesentlich besseres Gesundheitssystem als unsere Vorfahren for einhundert Jahren. Der Schluss liegt nahe: somit können und sollten wir auch länger arbeiten!
Vorteile für Arbeitnehmer
- Finanzielle Sicherheit: Durch längere Erwerbstätigkeit können Arbeitnehmer ihre finanzielle Lage verbessern und höhere Rentenansprüche erwerben. Beispielsweise erhalten Frauen, die über das gesetzliche Pensionsalter hinaus arbeiten, einen zusätzlichen Vorteil. Für die zusätzlichen Arbeitsjahre können sie neben der normalen Pensionserhöhung für maximal drei Jahre auch einen jährlichen Bonus von 4,2 Prozent der Gesamtpension erhalten (Arbeiterkammer, 2023). Nach Informationen des Bundesministeriums ist es möglich, pro Jahr 5,1 Prozent mehr Alterspension zu erhalten, diesen Bonus kann man insgesamt für drei Jahre erhalten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen nur noch die Hälfte der Beiträge, was das monatliche Nettoeinkommen erhöht, während der gesamte Pensionsbeitrag für die Berechnung berücksichtigt wird (Bundesministerium, 2024).
- Psychische, geistige und körperliche Stabilität: Die Struktur des Arbeitsalltags kann positive Effekte auf die psychische Gesundheit haben. Manche Menschen wissen nach dem Ruhestand nicht, wie sie ihren Alltag gestalten sollen, was zu psychischen Problemen führen kann. Eine schrittweise Reduzierung der Arbeitszeiten oder die Entwicklung einer täglichen Routine kann helfen, diesen Problemen entgegenzuwirken. Geistige Stimulation und körperliche Aktivität reduzieren zudem das Risiko altersbedingter Krankheiten wie Alzheimer.
- Sozialisierung: Der Arbeitsplatz bietet eine wertvolle Gelegenheit, am sozialen Leben teilzuhaben und soziale Isolation zu vermeiden, die im Alter ein großes Problem darstellt. Der Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen kann dabei helfen, aktiv und sozial eingebunden zu bleiben.
Vorteile für Arbeitgeber
- Mentoring und Schulung: Ältere Mitarbeiter haben durch ihre Berufserfahrung viel Wissen angesammelt, das sie an jüngere Generationen weitergeben können. Ein Mentoring- oder Buddy-System, in dem erfahrene Mitarbeiter jüngere Kollegen schulen und ihnen Verantwortung übertragen, kann die berufliche Entwicklung der neuen Mitarbeiter fördern.
- Erfahrung und Wissen: Ältere Mitarbeiter bringen wertvolle Kenntnisse und Erfahrungen mit, die jüngere Mitarbeiter noch nicht haben. Dies kann besonders in komplexen Situationen von Vorteil sein.
- Loyalität und Vertrauen: Langjährige Mitarbeiter zeigen oft eine starke Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. In schwierigen Zeiten haben sie ihre Beständigkeit und Treue bewiesen. Sie sind verlässliche Kräfte, die das Wohl der Firma im Blick haben und aktiv zur Unternehmensentwicklung beitragen.
- Stabilität: Freiwillig weiterarbeitende ältere Mitarbeiter bieten einen wirksamen Schutz vor Fluktuation. Die Beständigkeit und das Engagement dieser Mitarbeiter sind von unschätzbarem Wert für die Stabilität und Kontinuität des Unternehmens.
Wie können wir das erreichen?
In Österreich beträgt die durchschnittliche Arbeitszeit pro Woche 30 Stunden, bei Männern 33,2 Stunden und bei Frauen 26,2 Stunden. Angesichts der vielen Zeit, die man am Arbeitsplatz verbringt, ist es wichtig, dass dieser so gestaltet ist, dass Mitarbeiter freiwillig länger arbeiten möchten. Dabei sind vier Aspekte besonders wichtig: Architektur/Gestaltung, Barrierefreiheit, Organisation und Kultur.
Architektur/Gestaltung
Sowohl die Architektur als auch die Gestaltung haben großen Einfluss darauf, wie sich Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz fühlen. Altersgerecht gestaltete Arbeitsplätze sind entscheidend, um Menschen zu motivieren, freiwillig länger zu arbeiten. Treppen, Bodenschwellen und andere Hindernisse sollten beseitigt werden. Eine durchdachte Planung, die flexible und anpassungsfähige Arbeitsumgebungen schafft, ist entscheidend.
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Sie betrifft nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch Menschen mit anderen Einschränkungen und ältere Menschen. Die Planungsgrundlagen für barrierefreies Bauen findet man in der ÖNORM B 1600. Hier sind z.B. Gangbreiten und Maße für Rampen festgelegt. ÖNORM 1601 (Gesundheitseinrichtungen), ÖNORM 1602 (Bildungseinrichtungen) und ÖNORM 1603 (Tourismus- und Freizeiteinrichtungen) spezifizieren bestimmte Einsatzgebiete und geben genaue Richtlinien vor.
Barrierefreiheit betrifft auch die Lesbarkeit von Schriften, gute Lichtverhältnisse, die Akustik und die physische Zugänglichkeit. Anpassungen wie größere Schriftgrößen, bessere Beleuchtung, ein logisches Leitsystem und schwellfreie Wege sind wichtig, um den Arbeitsplatz altersgerecht zu gestalten. Eine angepasste Geräuschkulisse trägt ebenfalls dazu bei, dass sich ältere Mitarbeiter wohlfühlen und effektiv arbeiten können.
Durch solche Maßnahmen können Arbeitsplätze geschaffen werden, die Mitarbeiter jeden Alters ansprechen und motivieren, länger im Beruf zu bleiben. Dies trägt nicht nur zur individuellen Zufriedenheit bei, sondern auch zur Stabilität und Produktivität der Unternehmen und der Wirtschaft insgesamt.
Organisation
Zur Organisation gehört auch die Strategie, sich Ziele zu setzen und den Weg dorthin zu ebnen, um Mitarbeiter zu motivieren, freiwillig länger zu arbeiten. Mögliche Maßnahmen:
- Anpassung der Aufgaben: Aufgaben, die ältere Mitarbeiter physisch nicht mehr bewältigen können, sollten durch jüngere Kolleginnen übernommen werden, während man älteren Menschen wiederum die Aufgaben übertragen sollte, wo sie mit Erfahrung und Feingefühl einen Mehrwert generieren.
- Flexible Arbeitszeitmodelle: Flexible Arbeitszeitmodelle können das Wohlbefinden älterer Menschen steigern, indem sie es ihnen ermöglichen, ihre Arbeitszeiten an ihre individuellen Bedürfnisse besser anzupassen, gegebenenfalls zu reduzieren oder wieder zu erhöhen.
- Entlastung von Führungskräften: Führungskräfte höheren Alters haben oft ein breit gefächertes Aufgabengebiet. Um Überlastung zu vermeiden, könnte man ihnen jüngere Mitarbeiter zur Unterstützung zuteilen. Dieses Mentor-Mentee-Verhältnis fördert den Wissenstransfer und schafft einen fließenden Übergang in der Führungsebene.
- Technologische Unterstützung: Ältere Mitarbeiter haben oft Schwierigkeiten mit neuen technischen Hilfsmitteln. Workshops, in denen technisch versierte Mitarbeiter ihren älteren Kollegen den Umgang mit Laptops und anderen Geräten erklären, können hier Abhilfe schaffen und gleichzeitig wieder das generationsübergreifende Zusammenarbeiten.
- Work-Life-Balance: Es ist wichtig, eine gesunde Work-Life-Balance zu haben, indem klare Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit gesetzt werden. Ältere Mitarbeiter benötigen möglicherweise aber auch zusätzliche Unterstützung, um agile und flexible Arbeitsmethoden zu verstehen und umzusetzen.
- Gesundheitsprogramme: Gesundheitsprogramme, die Lust auf Fitness, gute Ernährung und Mobilität machen, sind da wesentlicher Faktor. Aber vielleicht finden wir ja bald auch neue Programm. Abgeleitet aus dem aktuell sehr beliebten Konzept Workation könnte es ein Programm „Acti-cation“ geben, bei dem älteren Mitarbeitern eine Kombination aus Aktivurlaub und Arbeit im Remote-Modus angeboten wird. Ein alternative Variante wäre Kur-cation“ wo der gezielte Kuraufenthalt vielleicht mit Remote-Arbeit verbunden werden kann.
Kultur
Die Unternehmenskultur kann als das Schmieröl der Organisation bezeichnet werden. Sie umfasst das Verhalten im Team, den Umgang miteinander und basiert auf den gelebten Unternehmenswerten. Eine positive Arbeitskultur zeichnet sich durch gegenseitiges Vertrauen, Unterstützung, Respekt und Wertschätzung aus und fördert die Gesundheit der Mitarbeiter.
- Unternehmenswerte: Klar definierte und gelebte Unternehmenswerte bilden die Basis eines Unternehmens. Sie sind Ausdruck von Haltung der Organisation, zeigen den Mitarbeitern, wie sie sich bei der Arbeit verhalten sollen und fördern damit die Mitarbeiterbindung und positive Arbeitskultur. Diese Werte sollten Akzeptanz, Achtsamkeit und Teamwork umfassen, um ein Umfeld zu generieren, in dem jeder, unabhängig vom Alter, respektiert und geschätzt wird.
- Teamaktivitäten: Gemeinsame Aktivitäten wie monatliche Teamabende, Frühstücke oder Ausflüge stärken das Teamgefühl und das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Die Akzeptanz verschiedener Kulturen und Altersgruppen ist entscheidend, da Vorurteile in einer gesunden Arbeitswelt keinen Platz haben.
- Weiterentwicklung: Eine gute Arbeitskultur fördert die Weiterentwicklung der Mitarbeiter durch Schulungen, Workshops und das Lernen von erfahreneren Kollegen. Dies führt dazu, dass sich Menschen schneller und individueller weiterentwickeln. Eines der Grundbedürfnisse ist die persönliche Entwicklung.
- Gesundheit: Sowohl die körperliche als auch die geistige Gesundheit der Mitarbeiter sollte im Vordergrund stehen. Activity-based Working kann zur körperlichen Gesundheit beitragen, und Kooperationen mit Fitnessstudios können Mitarbeiter zum Sport motivieren, was auch für die Arbeit von Vorteil ist, da körperliche Betätigung den Geist klärt und die Konzentration fördert.
- Diversität und Inklusion: sind heute gerade von jüngeren Menschen in hohem Maße gefragt. Die Integration und Förderung älterer Menschen können ein guter Beitrag dazu sein.
Wir sollen und werden länger arbeiten. Die dringend notwendige Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters wird noch ein wenig auf sich warten lassen. Die politische Umsetzung braucht viel Mut und Verantwortung. Deshalb sollten wir versuchen, Menschen eine Verlängerung der Arbeitszeit über das Pensionsantrittsalter schmackhaft zu machen und hier langsam eine freiwillige Veränderung zu fördern.
Ein Gastbeitrag von Andreas Gnesda, CEO und Gründer von teamgnesda.
Seit mehr als drei Jahrzehnten repräsentiert teamgnesda die Zukunft der Arbeitswelt! Unser Team bietet eine umfassende Palette von Dienstleistungen an, die von der Beratung bis zur Gestaltung neuer Arbeitsumgebungen reichen. Wir sind Experten darin, innovative Lösungen zu entwickeln, die die Arbeitsweise von Unternehmen revolutionieren. Unsere Mission ist es, Organisationen dabei zu unterstützen, effizienter, flexibler und inspirierender zu arbeiten. Wir vereinen Mensch & Raum. Tauchen Sie ein in unsere Welt und entdecken Sie, wie wir die Zukunft der Arbeit neu definieren!
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