Kreislaufwirtschaft – Stop talking, start acting!
- Florian Wehrberger
- 30. August 2021
- Qualität
Anpassbar, umnutzbar, abbaubar: Kreislaufwirtschaft in der gebauten Umwelt
In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft werden Rohstoffe nicht aus ihrem Kreislauf entfernt, sondern bleiben durch ihre effiziente und intelligente Nutzung so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf bestehen. Ihr Wert wird durch Optimierung der Wiederverwendung oder durch hochwertiges Recycling erhalten. In der gebauten Umwelt bedeutet dies, Gebäude und Bauelemente so zu konzipieren, dass sie leicht anpassbar, umnutzbar und/oder abbaubar sind und kaum abgerissen und deponiert werden müssen. Sie können immer wieder produktiv genutzt werden und so weiterhin Wertschöpfung generieren. Als oberste Prämisse muss die Um- und Nachnutzung von Immobilien bedacht und geplant werden. Denn eines ist klar – der effektivste Klimaschutz entsteht durch Gebäude, die über viele Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte genutzt werden, ohne abgerissen zu werden. Büros, die zu Hotels umfunktioniert werden, Garagen, die als Indoor Farmen umgenutzt werden oder modulare Bauten, die an einem Ort abgebaut und beliebig anderorts wieder aufgebaut werden. All das gibt es bereits. Im Bestand nicht immer einfach anzuwenden, kann und muss dies im Neubau durch eine integrale Planung und die entsprechenden Um- und Nachnutzungskonzepte mitgedacht werden.
Beitrag zu den Sustainable Development Goals
Ist eine direkte Umnutzung nicht möglich, ist es darüber hinaus wichtig, die Maßnahmen, die die Abfallwirtschaft beeinflussen können, auf andere Phasen des Lebenszyklus von Gebäuden und anderen Bauwerken auszudehnen. Von der Kreislaufwirtschaft inspirierte Maßnahmen, die in den frühen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes ergriffen werden, können die Abfallbewirtschaftung des Gebäudes tiefgreifend beeinflussen. Wir sprechen hier z.B. von Gebäuden ohne Schadstoffe, von Bauelementen, die nicht verklebt sind, um eine sortenreine Trennung und eine leichte Wiederverwendung zu ermöglichen. Können die Materialien vor Ort getrennt werden und in einem Gebäude in der näheren Umgebung wiedereingebaut werden, senkt das auch den CO2 Ausstoß. Weniger Transport-Kilometer sind ein Vorteil, zusätzlich verursacht die Verwendung von Sekundärrohstoffen weniger Treibhausgase als die energieintensive Produktion neuer Materialien. Eine stärker kreislauforientierte Wirtschaft hätte auch viele andere Vorteile, wie geringere geopolitische Risiken durch Rohstoffunabhängigkeiten, Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort, geringere Luftverschmutzung und weniger Wasserverbrauch. Sie kann somit auch zu mehreren der UN-Sustainable Development Goals beitragen.
Somit liegt es auf der Hand – der Umstieg von der linearen Wirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft muss jetzt stattfinden, wollen wir die Klimaziele erreichen und die endlichen Ressourcen schonen. Kombinieren wir die Recycling- und Wiederaufbereitungsprozesse noch mit regenerativen Energielösungen, kann das einen großen Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Neue Geschäftsmodelle müssen entstehen, Normen und Regulative müssen geschaffen werden. Klar ist auch, dass es ohne die stetig fortschreitende Digitalisierung nicht gelingt. Schlagworte wie BIM, Gebäudepass, Materialdatenbank und Ähnliches gehören untrennbar zur Kreislaufwirtschaft. Nur eine vollständige und fortlaufende Materialdokumentation, von der Planung, über den Betrieb, bis zum Lebensende eines Gebäudes, verdeutlichen den Wert der verbauten Materialien. Standen sie bereits am Ende des Lebenszyklus einer Immobilie, können diese über Bauteilbörsen weiterverkauft werden und beginnen so einen weiteren Lebenszyklus in einem neuen Gebäude.
Kulturwandel – stop talking, start acting!
Vielleicht braucht es auch einen Kulturwandel hinsichtlich unserer Materialien. Bereits verwendete Bauteile mit Gebrauchsspuren und Materialien, die auch altern dürfen, haben ihren ganz eigenen Charme. Es muss nicht immer neu und unbenutzt sein. Natürlich müssen statische und brandschutztechnische Voraussetzungen gelten, aber das gelingt auch bei weiter- und wiederverwendeten Bauteilen. Denken wir also in neuen Kreisläufen und beginnen wir endlich, die Stadt als das zu sehen was sie schon immer war – ein riesiges Rohstofflager.
Auch in unserer Podcastreihe „Blickpunkt“ sprechen wir mit Herrn Thomas Kasper, Umweltbeauftragter der PORR Group, Präsident des Österreichischen Baustoff-Recycling Verbandes (BRV) und Vize-Präsident der European Quality Association for Recycling (EQAR) über dieses Thema. (online ab dem 01. September) Diese und weiter Folgen finden Sie hier.
*Schematische Abbildung der Kreislaufwirtschaft bezugnehmend auf die Ausarbeitung vom Bundesamt für Umwelt BAFU
Florian Wehrberger
Autor
Seit 2018 ist Florian Wehrberger bei der ÖGNI tätig und ist begeistert wie sich die Themen der Nachhaltigkeit stetig weiterentwickeln.